Mittwoch, 22. Februar 2017

Mobbing



Hallo :)

Schon seit längerem wollte ich mal etwas ausführlicher über das Thema Mobbing schreiben und immer wieder habe ich die Idee verworfen. Jetzt habe ich mich dazu durch gerungen um einfach einmal zu zeigen, dass Mobbing nicht unbedingt etwas mit der Kleidung, geschweige denn mit dem Aussehen zu tun hat. Auch möchte ich anderen Mut machen mit dieser Geschichte!

In der Grundschule war ich beliebt und kam auch mit allen klar. Ich hatte viele Freunde in meiner Klasse und auch in anderen Klassen. Ich war eigentlich selten daheim und war übers Jahr verteilt auch auf sehr vielen Geburtstagsfeiern. Schon da war mir aufgefallen, dass meine beste Freundin gerne für Ärger sorgte. Da habe ich mir noch nicht viel bei gedacht und war leider oft die einzige, die ihr Kontra gegeben hatte. Wir hatten viele gemeinsame Freunde und mir war es hin und wieder aufgefallen, dass sie teils doch sehr eifersüchtig war. Vor allem wenn gemeinsame Freunde mich vorzogen gab es oft Ärger.

Der Wechsel zur Realschule stand an und wir Mädels waren doch recht froh darüber alle in diesselbe Klasse zu kommen. Es lief wirklich gut, auch wenn ich als introvertierte Person ziemliche Startschwierigkeiten hatte. Als graue Maus wird man nun einmal gerne übersehen, was mir aber nichts ausmachte.

Ungefähr im 2. Halbjahr der 5. Klasse kippte das ganze und ich kann auch nicht sagen, was auf einmal schief lief. Ich hatte zu meiner Mutter nur gesagt, dass die Person nicht mehr meine Freundin sei. Auf jeden Fall fiel mir durchaus auf, dass ich von anderen gemieden wurde. Auch wenn ich dann mal den Mund aufmachte wurde einfach dazwischen geredet. Irgendwann müssen dann auch kurz darauf die Beleidigungen angefangen haben. Ich kann euch noch nicht einmal sagen wer zu erst zugeschlagen hatte, aber irgendwann habe ich mich jeden Tag mit meiner ehemals besten Freundin geschlagen. Teils saß ich hinten im Bus bei Freunden und dann kam sie nach hinten und schlug ohne Grund einfach zu. Alle haben zugesehen und keiner griff ein! Teils wurde ich auf dem Weg nach Hause angegriffen und bedroht von ehemaligen Freunden. Ich saß im Treppenhaus in der Schule und es kamen wildfremde auf mich zu um Morddrohungen auszusprechen. Der Kontakt zu all meinen Freunden flaute immer mehr ab, da auch sie teils verbal angegriffen wurden. Ich habe es der ehemaligen besten Freundin nicht leicht gemacht, da ich Kontra gab und zurückschlug.

Was hatte die Schule gemacht? Ich hatte keine Initiative ergriffen, obwohl ich selbst im Schulhaus Schläge auch von fremden abbekam. Grund dafür waren die unzähligen Morddrohungen und ich hatte mich auch unendlich geschämt. Die Eltern einer Freundin riefen eines Tages bei meiner Mutter an und erzählten ihr was ablief. Das war es erste Mal, dass meine Mutter vom Mobbing erfuhr. Ich wurde zur Rede gestellt, aber wirklich geändert hatte sich nichts. Da es doch ziemlich für Aufruhr sorgte wurde ich zusammen mit meiner Mutter in die Schule einbestellt. Ich erinnere mich noch genau an das Gespräch, an die Möbel in dem Raum und das Gesicht der Lehrerin. Sie glaubte mir, obwohl soviele gegen mich aussagten. Aber es änderte sich auch hier wieder nichts. Es wurde etwas ruhiger und die Drohungen ließen nach und sie fuhr auch nicht mehr mit dem Schulbus. Es ging wieder einige Zeit ins Land und ich hatte mich einfach daran gewöhnt allein zu sein. Es war glaub ich dann in der 6. Klasse oder Ende der 5. Klasse: Gespräch beim Schulleiter. Da leider keine eindeutigen Beweise vorlagen, wurde uns beiden mit dem Schulverweis gedroht. Ich hatte Panik, schließlich wollte ich unbedingt auf der Schule bleiben!

Das war das Erste, was überhaupt Wirkung zeigte. Es wurde tatsächlich ruhig, ich habe wirklich sehr selten noch Schläge abbekommen. Es hörte sogar auf, dass fremde Mädchen von anderen Schulen mir im Bus den Ranzen klauten, Stifte im Bus verteilten oder mir die Schuhe wegnahmen! Und das war wirklich mehr als ich mir je erhofft hatte!

Im Winter im darauffolgenden Jahr ging ich alleine Schlitten fahren, da mit mir eh keiner mehr reden wollte/durfte. Ich war abseits von all den "Routen", die die anderen immer nutzen. Ich sah besagte Person auf mich zukommen mit ihrem 1 Jahr jüngeren Bruder. Als die ersten Beleidigungen kamen rannte ich weg, was im Schnee mit Schlitten nicht einfach ist. Ich hatte einfach nur Panik. Ihr Bruder schmiss sich mit aller Gewalt auf mich(Ich hatte den Rodelschlitten auf dem Rücken) und ich fiel vornüber in den Schnee, während sich der Schlitten in mich grub und mein Kopf in den Schnee gedrückt wurde. Das war der Moment, wo ich wirklich Angst um mein überleben hatte. Ich weiß auch nicht mehr, wie ich aus der Situation rausgekommen bin. Ich erinnere mich nur noch an die vielen Tränen, die mir übers Gesicht liefen. Danach war ich nie mehr Schlitten fahren.

Jetzt könnte man ja meinen: Happy End! Leider war dem nicht so. Irgendwann hatte ich dann auch wieder mehr Kontakt zu Freunden von anderen Schulen und wir trafen uns auch wieder öfters. Meine ehemalige beste Freundin musste die Eingangsprüfung für das Gymnasium ablegen und gehen. Ihre Eltern waren wohl nicht damit einverstanden, dass sie gezielt andere Menschen schikaniert.

Aber das Mobbing ging trotz Schulwechsel weiter. Ich wurde in der Klasse gemieden und bei Gruppenarbeiten war ich nur Dekoration. Lehrer meinten es läge an mir, aber lag es wirklich an mir?
Heute weiß ich, dass ich mich schon viel früher hätte bei den Lehrern melden sollen. Und vor allem hätte ich viel früher meiner Mutter Bescheid geben soll. Jedoch habe ich mich geschämt und vor allem hatte ich Angst vor der Reaktion. Sie war immerhin über Jahre meine beste Freundin gewesen und wie soll man erklären, dass diese Freundin einem das Leben zur Hölle macht?

Bis heute weiß ich nicht, warum das alles geschehen ist. Ich will es um ehrlich zu sein auch nicht wissen, da ich das ganze ja nicht mehr verändern kann. In den Jahren nachdem sie die Schule gewechselt hatte, hatte ich mich nicht nur einmal zwischen sie und andere Opfer gestellt. Ich lebte nun einmal in einem kleinen Dorf und man sah sich halt bei Vereinstreffen.

Das Mobbing hat mich verändert und ja ich vermisse manchmal die Person, die ich vorher war. Die Erinnerungen tun weh und ich vermeide es an diese Zeit zu denken. Aber ich habe diese Zeit überlebt und habe aus dem ganzen gelernt. Nur weil man einmal Opfer war, muss man nicht ein Leben lang Opfer bleiben! Manchmal braucht man von anderen Hilfe um zu lernen, dass man trotzallem liebenswert ist. Das ist keine Schande und man sollte sich dafür nicht schämen.

Mobbing kann leider jeden Treffen und wenn ihr selbst Opfer seid: Macht auf euch aufmerksam! Seid nicht still! Ihr müsst euch nicht schämen, sondern der Täter sollte sich für sein Verhalten schämen. Führt ein Tagebuch über die Vorfälle und sucht euch Zeugen. Und wenn es wirklich zu körperlicher Gewalt kommen sollte: Geht zur Polizei. Vor 15 Jahren war es noch nicht üblich dieses zu tun und heute bereue ich es keine Anzeige erstattet zu haben. Es gibt leider nicht den ultimativen Plan um Mobbing zu verhindern oder wie man dagegen vorgehen kann. Auch sind die Gründe dafür doch meist sehr verschieden. Informiert euch am Besten im Internet und es gibt heutzutage genügend anonyme Foren, bei denen man sich zu dem Thema informieren kann :)

Leider war es auch zu dem Zeitpunkt richtig verpöhnt zu einem Psychologen zu gehen. Die Akzeptanz wie es sie heutzutage gibt gab es einfach nicht. In der 9./10. Klasse hieß es nur, dass es an dieser Schule kein Mobbing gibt. Zu dem Zeitpunkt fing auch der Emo-Trend an, was natürlich die Akzeptanz von psychischen Erkrankungen noch weiter sinken ließ!
Es gab nie in der Klasse ein aufklärendes Gespräch zum Thema Mobbing. Das einzige was es gab war eine Verhörrunde, wo beide von uns anwesend waren. Dementsprechend fiel natürlich auch das Ergebnis aus und einige ihrer Freunde sagten aus, dass ich besagte Person mehrfach geschlagen hätte. So eine Verhörrunde fand übrigens auch mal in der Tanzgruppe statt. Als die Täterin anwesend war, sagten natürlich viele gegen mich aus. Als es dann zu Einzelgesprächen kam waren fast alle bis auf eine Person auf meiner Seite. Also wenn ihr tatsächlich mal in so eine Situation geratet solltet, dann besteht auf ein Gespräch ohne die Beteiligten! Es ist einfacher über etwas zu reden, wenn man keine Angst davor haben muss das nächste Opfer zu sein.

Ein Eintrag zu dem Thema von 2012


Viele Grüße

4 Kommentare:

  1. Dein Beitrag berührt sehr. Mobbing ist etwas unfassbares dass kein Mensch erleben müssen sollte.

    Liebe Grüße

    Nisnis

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    1. Hallo :)
      Mobbing sollte wirklich keiner erleben müssen. Es prägt einen leider ziemlich und es wird auch oft herunter gespielt.
      Viele Grüße
      Pea

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  2. Wow, ein berührender, wachrüttelnder Beitrag von Dir zum Thema Mobbing! Meinen größten Respekt dafür! Meiner Meinung nach ist es wichtig sowohl über Mobbing und dessen Folgen für die Opfer zu reden und aufzuklären als auch Prävention an Schulen und in Firmen voranzutreiben. Jedem Mobbingopfer sei eines gesagt, handelt, holt Euch Hilfe und versucht mit Unterstützung das Mobbing zu beenden.

    Viele Grüße

    Andreas Schmied

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    1. Danke :) Die Präventionsarbeit ist wirklich wichtig und ich finde, dass es ruhig mit Rollenspielen geschehen sollte. Und man sollte mal aufhören immer die Schuld beim Opfer suchen. Das musste ich mir leider auch von Lehrern damals anhören und solche Aussagen sind vor allem bei Mobbing alles andere als angebracht. Und ich fänds toll, wenn Leute bewusster mit dem Wort "mobben" umgehen würden. Manche benutzen es leider um witzig zu sein und Mobbing ist alles andere als witzig für die Opfer. Es ist wirklich traurig, dass man in 2017 immer noch so wenig Prävention betreibt.

      Dir auch viele liebe Grüße
      Jenny :)

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