Mittwoch, 22. Juli 2020

#38 Booktalk - GRM

Hallo,

im Juni hatte ich "Grm - Brainfuck" von Sibylle Berg gelesen und da sich der Roman für einen Booktalk anbietet, gibt es diesen heute.




Immer mehr westliche Länder werden zu Autokratien und der Kapitalismus bestimmt das Denken der Menschen. Das Leben in Rochdale in Großbritannien zeigt den vier Jugendlichen jeden Tag was es bedeutet am Rande der Gesellschaft aufzuwachsen. Ihre Eltern kümmern sich schon länger nicht mehr um sie und ohne die Hilfe von Außen wären sie schon längst verhungert. Lediglich Grim gibt ihnen noch ein Grund zum Leben, schließlich scheint es ja nicht so schwer sein ein Musikstar zu werden. Aus dem Grund entschließen sie sich nach London zu begeben, jedoch gibt es ein Problem. Nur diejenigen mit Registrierungschip bekommen ein Grundeinkommen. Und genau diesen wollen sie sich nicht setzen lassen. Jedoch ist es schwer sich ohne diesen in einem Überwachungsstaat zu bewegen und zu existieren. Können es die vier schaffen in diesem System zu überleben?

Direkt zu Beginn möchte ich darauf hinweisen, dass ein Fall ähnlich dem Missbrauchsskandal von Rochdale(Minderjährige wurden zur Prostitution gezwungen) in diesem Buch vorkommt.

Das ist definitiv bissige Satire vom Feinsten und legt den Finger genau in die Wunde. Immer wieder während dem Lesen hatte ich mich dabei ertappt, wie ich wegen der zynischen Kommentare während den traurigen Passagen lachen musste. Denn treffender kann man den Wahnsinn, der die moderne Zeit mit all den vermeintlich technischen Errungenschaften verursacht nicht beschreiben.

Das besondere an dieser Gesellschaftskritik ist, dass die Handlung in gar nicht so ferner Zukunft spielt. Wenn es so weiter läuft wie bisher kann genau das in wenigen Jahren Realität werden und es ist erschreckend zu sehen, dass einiges davon schon eingetroffen ist. Man könnte jetzt meinen, dass das alles überspitzt dargestellt wurde. Aber wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin finde ich das alles nicht mehr überspitzt. In einigen Ländern gibt es schon die totale Überwachung und der Kapitalismus ist für viele ihr Lebenselixir. Viele Jobs verschwinden einfach ohne, dass es außer den Betroffenen überhaupt irgendeinen juckt. Und genau das wird hier immer wieder aufgegriffen.

Ein Brand ähnlich dem vom Greenfell Tower(Sozialbau in London, der in 2017 brannte(79 Menschen starben)) taucht auch in der Handlung auf und das was dort beschrieben wurde ist einfach nur erschreckend. Wahrscheinlich wirkt die Handlung deshalb so realistisch, weil immer wieder leicht abgeänderte, reale Ereignisse auftauchen. Und wahrscheinlich ist es deshalb auch so eindringlich und erschütternd. Das Bewertungssystem in diesem Buch erinnert stark an das Sozialpunktesystem in China und man kann nur hoffen, dass sich das nie durchsetzen wird. Und man kann sehr schnell, auch ungewollt in die unteren Kategorien abrutschen. Und da das Ziel ist die unterste Schicht auszulöschen kann man sich ja denken, was mit einem mit sehr schlechter Bewertung passieren wird. Das ganze System zeigt einfach nur, dass es nicht das Wohlergehen der einzelnen beachtet sondern nur dafür da ist die Menschen zu kontrollieren und zu steuern. Und das passiert immer wieder im Laufe der Handlung. Mal ganz subtil und an anderen Stellen sehr auffällig für den Außenstehenden. Und als Leser saß ich oft nur kopfschüttelnd da und fragte mich, wie man das mit sich machen lassen kann. Aber leider spiegelt genau das unsere jetzige Gesellschaft wieder und damit spiele ich auf keine Verschwörungstheorie an. Sondern einfach auf den Umstand, dass einen zu viele Apps abhören und Werbung dementsprechend personalisieren. Dazu gab es ja schon etliche Skandale und trotzdem hat sich gar nichts groß geändert.

Selbst beim Hörbuch fällt einem der außergewöhnliche Schreibstil auf. Die Sätze sind kurz und auf den Punkt gebracht und es werden keine großen Erklärungen geliefert. Wenn neue Personen auftauchen gibt es immer wieder Metadaten zu diesen, was ich total interessant fand. Und irgendwie ist es auch total erschreckend, schließlich gehen manche dieser Metadaten einfach niemanden etwas an und deshalb finde ich es gut, dass über genau diese im Buch diskutiert wird. Ansonsten gibt es relativ viele Kraftausdrücke, aber da es sich ja um jugendliche Protagonisten mit einer Affinität zu Grime haben fand ich das ganz passend. Grime ist ein Musikstil aus Großbritannien, der ähnlich der elektronischen Musik und dem Rap ist. Dazu passend gibt es ziemlich viele Wiederholungen, was mich stellenweise genervt hatte und das Buch wäre wahrscheinlich ohne diese halb so dick. Aber irgendwie passt diese Monotonie zu dem Thema und wahrscheinlich ist es gut so, dass einem das alles gegen den Strich geht.

Mir hat das Buch definitiv gefallen und mir haben die regelmäßigen Pausen beim Lesen recht gut getan. So wurde es auch nie zu viel und die Wiederholungen konnten mich nicht zu sehr nerven. Es ist auf jeden Fall keine klassische Dystopie in dem Sinne, sondern einfach eine Gesellschaftskritik. Die Probleme unserer jetzigen Gesellschaft werden unter die Lupe genommen und es wird aufgezeigt, wo uns das alles eventuell noch hinführen wird. Außer es findet ein Umdenken statt, was wiederum zu anderen Prioritäten führen würde. Das Buch zeigt auch wie wichtig es ist sich gegen Frauenfeindlichkeit und für ein gerechteres Einkommen einzusetzen.

Kennt ihr das Buch? Wie findet ihr es?

Viele Grüße

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