Mittwoch, 8. September 2021

#53 Booktalk - The memory police

  Hallo,

im Juni hatte ich "The memory police" von Yoko Ogawa gelesen und dazu passend gibt es heute den Booktalk, der etwas länger als sonst geworden ist.





Auf einer nicht näher benannten Insel verschwinden allerhand Dinge und den meisten Inselbewohnern scheint das vollkommen egal zu sein, denn sie können sich ohnehin nicht mehr an diese Dinge erinnern. Jedoch geht es nicht jedem so und diese Menschen fürchten um ihr Leben. Schließlich würde die Erinnerungspolizei für ihr Verschwinden sorgen, wenn sie davon erfahren würden. Unter ihnen befindet sich ausgerechnet ein Verleger, der nun alles daran setzen muss unterzutauchen. Er findet Zuflucht bei einer Schriftstellerin, die für ihn arbeitet. Beide klammern sich an ihre Arbeit und versuchen die Vergangenheit auf diese Weise festzuhalten.

Besonders schön empfand ich die Bilder, die die Autorin kreiert. Viele davon erinnern an Fantasyromane und wären die Umstände nicht so erschreckend und beängstigend, würde ich sie als zauberhaft und mystisch betiteln. Sie schafft es auf alle Fälle einen zum Nachdenken anzuregen, schließlich machen die Erinnerungen einen Großteil der eigenen Identität aus und was passiert mit einem. wenn diese nach und nach verschwinden? Diese Gedankengänge kennt man ja zu genüge von Büchern und Filmen über Demenz und Amnesie und hier geht es halt darum, dass jemand aktiv für das Verschwinden sorgt. Und deshalb war ich richtig gespannt darauf, ob hier neue Gedankengänge auftauchen und vor allem wie das umgesetzt wurde. 

An sich gibt es gerade mal eine Handvoll relevanter Charaktere, weshalb man über diese allerhand erfährt. Sie sind alle recht unterschiedlich und decken verschiedene Persönlichkeitstypen ab. An sich ist es auf alle Fälle eine sehr interessante Figurenkonstellation, die alle recht unterschiedlich mit der neuen Situation umgehen.
Nicht immer weiß man was die einzelnen Bilder bzw. Symbole zu bedeuten haben und hier hätte ich mir einfach ein kleines Glossar am Ende des Buches gewünscht. Einiges hat in der japanischen Kultur wahrscheinlich komplett andere Bedeutungen und wahrscheinlich wäre es dann auch leichter die Tiefe bzw. Symbolkraft der einzelnen Szenen erkennen.

Die Handlung wird auf eine sehr ruhige, fast schon nüchterne Art und Weise wiedergegeben und so ganz weiß ich nicht, ob es einfach dem japanischen Erzählstil oder der Erzählerin geschuldet ist. Man hat das Gefühl als wäre all das Geschehene im Grunde egal und ständig habe ich mich gefragt warum ihr das alles so vollkommen gleichgültig ist. Hat die Erinnerungspolizei dafür gesorgt, dass das alles die Bewohner nicht interessiert? Und wenn ja wie haben die das gemacht? Und vor allem warum wurde dann nicht ein Charakter als Erzähler geholt, dem das gewaltig gegen den Strich geht. Aus dem Grund fiel es mir auch schwer Mitgefühl zu entwickeln, schließlich scheint es ja diejenigen noch nicht einmal zu stören was mit ihnen geschieht. Und über die Ausnahmen erfährt man einfach zu wenig. Nicht nur einmal wollte ich aus dem Grund das Buch abbrechen, da die Handlung einfach nicht fesselnd genug war. Aber ich wollte unbedingt erfahren warum viele das Buch so lieben und es auf eine Stufe mit vielen, sehr bekannten Dystopien stellen.

Bis zum Schluss wird nicht verraten wie die Erinnerungspolizei agiert. Immerhin ist es schon sehr merkwürdig, dass nicht jeder das Gewünschte vergisst und teilweise nur sehr spezifische Erinnerungen flöten gehen. Und dann kommt noch hinzu, dass sich die Umwelt radikal ändert. Erleben die Bewohner nur eine Massenpsychose oder passiert das alles wirklich?  Für die Handlung spielt das natürlich alles keine Rolle und so kann sich jeder seine eigenen Gedanken darüber machen, aber trotzdem hätte ich gerne noch ein paar Eckpunkte gehabt um das alles ein wenig besser einordnen und beurteilen zu können. Immerhin bleibt die Erinnerungspolizei bis zum Schluss eher blass und man erfährt wirklich nur Kleinigkeiten über sie. Das was man erfährt erinnert einen an die Gestapo und da würde ich schon gerne wissen wollen, ob genau die Intention dahinter steckt. Oder ob man nur eine nicht greifbare Gruppe an Menschen beschreiben wollte, die von irgendeiner Institution die Befehle ausführt? Denn auch das wird nie geklärt und lässt viele Interpretationsmöglichkeiten zu.

An sich ist es eine eher ruhige Dystopie, die einen zum Nachdenken anregt. Mir hat der poetische Schreibstil recht gut gefallen, auch wenn ich mit der nüchternen Art der Erzählerin meine Schwierigkeiten hatte. Alles in allem vergebe ich 3,5 von 5 Sternen, da mich die recht kurzweilige Dystopie relativ gut unterhalten und zum Nachdenken angeregt hat.

Kennt ihr das Buch und wenn ja, wie findet ihr es?

Liebe Grüße

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