Freitag, 30. Oktober 2020

#332 Bücherregal - Tausend Zeilen Lüge


TitelTausend Zeilen Lüge: Das System Relotius und der deutsche Journalismus
AutorJuan Moreno
VerlagRowohlt Verlag
GenreSachbuch
Seiten288 Seiten
Meine Bewertung
4/5

 Inhalt

Über Jahre hinweg hatte ein Reporter des "Spiegels" die Menschen mit unzähligen Reportagen und Interviews begeistert und er hielt zahlreiche Preise dafür. Weder in der Dokumentation des "Spiegels" noch sonst wem fiel auf, dass all diese Artikel zum größten Teil gefälscht waren. Der Reporter Juan Moreno deckte all das eher unfreiwillig auf, als er er zusammen mit Claas Relotius eine Reportage anfertigen sollten und so einige Sachen nicht zu stimmen schienen. Was sagt dieser Fälschungsskandal über den deutschen Journalismus aus?

Review

Als ich es erste Mal von dem Fall hörte dachte ich zu erst der Reporter hätte nur wenige Artikel gefälscht. Aber je mehr ich mich mit der Sache auseinander setzte, desto schockierter wurde ich. Denn er hatte über die Jahre wirklich viele Reportagen gefälscht und hat es damit innerhalb recht kurzer Zeit sehr weit gebracht. Er erhielt mehrere Auszeichnungen und war hoch angesehen für etwas, was er nie geleistet hat. Und wenn man bedenkt wie hoch angesehen die Spiegelreportagen sind, dann erklärt sich auch was für ein Schaden durch diesen Skandal entstand.

Was ich wirklich bemerkenswert finde ist mit was für einer Objektivität der Autor den Sachverhalt schildert. Schließlicht geht es hier auch um seinen Namen, der über dem Artikel stand. Und er musste ja wirklich viel Arbeit investieren und gegen Windmühlen kämpfen um zu beweisen, dass er nicht aus Neid handelt. Das alles wird anschaulich erklärt und einige Stellen klingen recht amüsant und bisweilen absurd, wenn man sie mit dem heutigen Wissen über Relotius betrachtet.

Man merkt durchgehend wie gut der Autor recherchiert hat. Alles liest sich wie eine wirklich gute Reportage und ist zu keinem Zeitpunkt langweilig, weshalb ich das Hörbuch auch relativ durch hatte. Es ist einfach nur spannend zu lesen wie eins zum anderen kam und das obwohl man ja den Ausgang der Geschichte kennt. Mich hat es richtig gehend fassungslos gemacht, dass dem Autor trotz seiner vielen Beweise eine sehr lange Zeit nicht geglaubt wurde. Und erst als der Druck von außen immer größer wurde schaffte er es sich wirklich Gehör zu verschaffen. Schließlich wäre es ein noch viel größerer Skandal gewesen, wenn andere Reporter und zwar welche, die nicht beim Spiegel arbeiten, das alles aufgedeckt hätten.

Umso bemerkenswerter ist es, dass Moreno sich trotz des massiven Gegenwindes und dem eventuellen Jobverlustes sich daran gemacht hat alles aufzudenken und zu beweisen, dass Relotius gar nicht so perfekt ist wie er vorgibt und eben alle nur an der Nase herumführt. An einigen Stellen wirkte es fast so wie ein spannender Krimi und deshalb musste ich mir immer wieder vor Augen führen, dass das alles echt ist. Und Relotius wirklich so gehandelt hat um Anerkennung zu bekommen und es ihm augenscheinlich egal war, was diese Reportagen für die Betroffenen für Auswirkungen haben.
Ein anderer Pluspunkt ist, dass das System Relotius in all seine Einzelheiten zerlegt wurde und warum er es so leicht hatte so lange unentdeckt zu bleiben. Es wird immer wieder aufgezeigt wie sich die Printmedien geändert haben und warum diese es in der heutigen Zeit so schwer haben. Und was dieser enorme Kostendruck für Auswirkungen auf die einzelnen Reporter haben. Schließlich möchten viele heutzutage alles nötige kostenlos erfahren und am besten in kurzen Artikeln, die sie in irgendeiner Form unterhalten.

Leider gibt es vor allen gegen Ende ein paar Wiederholungen, die das ganze zuhören etwas mühselig machten.


Fazit

Alles in allem ist es ein tolles Sachbuch, in dem viele Sachverhalte vor allem was den deutschen Journalismus betrifft für den Laien verständlich erklärt werden. Mich hat das Buch definitiv gut unterhalten und ich finde es mutig, dass der Autor diesen Schritt gewagt hat. Das alles was geschrieben wurde hört sich nicht wie eine Abrechnung an, sondern eher wie eine Erklärung warum er diesen Schritt gegangen ist. Und wie er die Geschehnisse einordnet.

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