Mittwoch, 25. November 2020

#009 Buch und Film - Nebel im August

  



Hallo,

vor kurzem habe ich "Nebel im August" von Robert Domes gelesen und heute möchte ich in einem Blogeintrag das Buch und den Film zu besprechen.


1933 werden der damals 4-jährige Ernst Lossa so wie seine Geschwister von den Eltern weggenommen,  da diese nicht ausreichend für die vier Kinder sorgen konnten. Als Jeniche waren sie immer durchs Land gereist und der Vater schaffte es kaum genügend Geld zu verdienen. Da es Ernst schwerfiel sich unter zuordnen und den Regeln zu folgen kommt er immer wieder in ein anderes Heim, bis er er letztendlich in die Heilanstalt in Kaufbeuren kommt. Denn aufgrund seines Verhaltens wird er als "asozialer Psychopath" abgestempelt, der nicht therapierbar ist. Und dort bekommt er letztendlich den "Gnadentod", obwohl er geistig und körperlich vollkommen gesund war.



Nebel im August von Robert Domes, 352 Seiten, Cbj-Verlag
4 von 5 Sternen

Vor ein paar Jahren hatte ich mir die Film angeguckt und hatte aufgrund dessen einige Bücher über das Thema "Euthanasie während des II. Weltkrieges" gelesen. Und jetzt habe ich es endlich einmal geschafft auch die Buchvorlage zu lesen. 

Hierbei handelt es sich um einen biografischen Roman, der das Leben von Ernst Lossa auf eine sehr eindringliche Art und Weise aus der Sicht einer Erzählers wiedergibt. Und das obwohl man als Leser aufgrund der Erzählweise eine spürbare Distanz zu Ernst Lossa hat, was ich aber nicht weiter schlimm fand. Es ist sehr erschreckend zu lesen wie bei ihm eine Sache zur anderen führte und er schon in jungen Jahren jegliche Chance auf ein Leben verlor aufgrund seiner Herkunft.  Und vielleicht ist es gerade diese Erzählform, die einen so nachdenklich werden lässt. 

So wirklich viel über den Nationalsozialismus und die Aktion T4, bei der über 70.000 Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen systematisch ermordet wurden, erfährt nur im Nachwort. Was ich jetzt auch nicht verwunderlich finde, schließlich wussten die Betroffenen und meist auch deren Verwandten nichts davon und somit kann man stark davon ausgehen, dass Ernst Lossa auch nur die Gerüchte darüber kannte. Bis heute prägt die Aktion T4 die Behandlungen in Psychiatrien und Diskussionen über Euthanasie/Sterbehilfe. Und deshalb ist es umso wichtiger, dass eben solche Geschichten erzählt werden und nicht in Vergessenheit geraten. 

Bei all dem was in diesem Buch berichtet muss man immer bedenken, dass Ernst Lossa alles andere als ein "asozialer Psychopath" war. Er war nun einmal ein Junge, der eben einen eigenen Wille hatte und das war zu dieser Zeitpunkt nicht gerne gesehen. Und obendrein gehörte er den Jenichen an, eine Bevölkerungsgruppe damals oft ohne festen Wohnsitz. Und wahrscheinlich gab es zu diesem Zeitpunkte viele Menschen wie Ernst Lossa, die deshalb den so genannten "Gnadentod" erhielten. 
Das einzige was mir negativ auffiel war die erste Hälfte des Buches in der Ernst sehr viel älter wirkte als er zu dem Zeitpunkt war. Ein 4-jähriger denkt nun einmal nicht wie ein Erwachsener und genau den Eindruck hat man.

Nach dem ich den Film gesehen hatte ließ mich die recht kurze Lebensgeschichte von Ernst Lossa nicht mehr los. Und auch dieses Mal ist es so und mir fiel es wirklich schwer dieses Buch zu bewerten und vor allem die richtigen Worte zu finden. Das Buch richtet sich vorwiegend an Jugendliche, kann aber natürlich auch von Erwachsenen gelesen werden. Viele eher nicht mehr so geläufige Begriffe werden hinten im Glossar erklärt. Die Geschichte von Ernst Lossa steht stellvertretend für viele andere und bis heute ist nicht bekannt wie viele Menschen mit Behinderungen als "lebensunwert" abgestempelt und somit ermordet wurden. Man geht von 200.000-300.000 Menschen aus und deshalb ist es umso wichtiger, dass dieser Kapitel der deutschen Geschichte niemals in Vergessenheit gerät.







Regisseur: Kai Wessel, Spieldauer: 121 Minuten, unter anderem mit Ivo Pietzcker, Sebastian Koch, Thomas Schubert, FSK 12 

Den Film hatte ich ja schon einmal gesehen und trotzdem hatte er mich jetzt beim 2. Mal wieder einmal total mitgenommen. Das was zu der Zeit in den Heilanstalten passierte macht mich nach wie vor fassungslos und unfassbar wütend. Und vieles was im Buch nicht so deutlich wurde, wird im Film in aller Klarheit gezeigt. Viele Szenen kommen komplett ohne Dialog aus und das Gezeigte spricht oft für sich. Alles strahlt eine unglaubliche Schlichtheit und Trostlosigkeit aus. Die Euthanasie an sich wird erst relativ spät gegen Ende des Filmes wirklich thematisiert bzw. erklärt und so liegt es am Zuschauer die gezeigten Szenen zu interpretieren bzw. zu beurteilen. Man weiß nicht warum bestimmte Namen auf der Liste durchgestrichen werden und man sieht nur, dass eben jene dann kurz darauf den "Gnadentod" in Form von Medikamenten verabreicht bekommen.

Im Vergleich zum Buch erfährt man auch viel über die Hintergründe von der Heilanstalt in Kaufbeuren und weiß somit, was es mit den grauen Bussen bzw. dem "Gnadentod" auf sich hat. Im Gegensatz dazu erfährt man jedoch relativ wenig über das Leben von Ernst Lossa, was aber nicht weiter schlimm ist. Schließlich steht hier das System "Euthanasie" im Vordergrund und so bekommt man allerhand Szenen zu sehen, in denen die Verantwortlichen sympathisch und alles andere als böse wirken. Und genau das macht finde ich den Film so sehenswert, denn er bedient sich nicht den einfachen Methoden und nimmt den vollkommen herzlosen Arzt.

Und vor allem den Abspann fand ich gut, denn nur mit Worten wird gezeigt wie milde die Täter davon kamen. Obwohl sie für den Tod von mehreren Tausend Menschen verantwortlich waren und selbst noch einen Monat nach Kriegsende weiter Menschen töteten, bekamen sie nie eine nennenswerte Strafe. Und eine Krankenschwester durfte sogar ihren Beruf weiter ausüben. 

Hat einer von euch schon das Buch gelesen oder den Film gesehen? Was ist eure Meinung dazu? 
Gerne verlinke ich hier eure Rezensionen. 


LG

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