Titel | Der Horror der frühen Medizin(Englisch: The Butchering Art) |
Autor | Lindsey Fitzharris |
Verlag | Suhrkamp Verlag |
Genre | Sachbuch/Geschichte |
Seiten | 276 Seiten(Hörbuch: 8 Stunden 36 Minuten) |
Meine Bewertung |
Inhalt
In der Mitte des 19. Jahrhunderts war das es vollkommen normal Arsen, Heroin oder Quecksilber verschrieben zu bekommen. Ärzte beschafften sich über dubiose Händler ihre Leiche zum Üben, die diese einfach ohne Erlaubnis kurz nach ihrer Beerdigung aus den Gräbern klauten. Wenn man im Krankenhaus behandelt werden wollte, musste man genug Geld für die Beerdigung vorweisen können. Denn nur eine kleine Minderheit überlebte Operationen, die mehr einer schaurigen Theateraufführung glichen als alles anderem. Warum so viele Menschen in Krankenhäusern verstarben war lange Zeit unklar. Deshalb versuchte Joseph Lister eine Methode zu entwickeln, die ein mehr oder weniger sicheres operieren ermöglichte.
Review
Den Titel sollte man unter allen Umständen wörtlich nehmen und sich vor dem Lesen bewusst machen, dass die damalige Medizin so gut wie gar nichts mehr mit der heutigen modernen Medizin gemeinsam hat.
Die einzelnen Szenen werden meist nicht bildhaft umschrieben, aber die wenigen Worte reichten um bei mir das Kopfkino in Gang zu bringen. Direkt vorweg möchte ich ein Beispiel nennen um zu zeigen was das Buch unter anderem behandelt. Die Menschen sind damals in die Operationssäle geströmt um den Chirurgen bei ihrer Arbeit zuzuschauen und alles glich mehr oder weniger einem Theater. Die Operationen waren unglaublich primitiv und der Gestank wurde als Krankenhausmief betitelt. Die Friedhöfe waren überfüllt und quoll im wahrsten Sinne des Wortes über.
Des öfteren war ich beim Lesen richtig geschockt, obwohl ich wusste wie schlimm die damaligen Zustände waren und Operationen um jeden Preis vermieden wurden. Man wusste halt nichts über Keime oder wie man Infektionen im Allgemeinen vermeiden sollte. Es war halt vollkommen normal und erstrebenswert eine eiternde Wunde zu haben, was heutzutage unvorstellbar wäre. Und somit war es auch vollkommen normal nach einer Operation im Krankenhaus zu versterben. Lister stieß somit quasi mit seinen Theorien bezüglich Wundheilung und Sepsis auf Granit und keiner wollte so recht auf ihn hören, obwohl seine Ergebnisse erfolgsversprechend waren.
Dank dem Hörbuch ist mir erst einmal bewusst geworden was alles aus dem Bereich der Medizin u.ä. aus der viktorianischen Zeit stammt. Es macht einem wieder einmal bewusst wie sehr sich die Medizin seit dem 19. Jahrhundert verändert hat und das nur wegen der Forschung und weil einzelne Menschen eine Verbesserung erzielen wollten. Selbst wenn es bedeutete andere gegen sich aufzubringen. Und es ist auf eine ganz spezielle Weise faszinierend wie normal uns das Wissen heutzutage erscheint. Schließlich ist es für uns vollkommen logisch, dass Operationsbestecke und Kittel nach jedem Patient ausgetauscht bzw. desinfiziert werden. Und die Handhygiene ist ja auch Standard, was aber zu der damaligen Zeit absolut unüblich war.
Man erfährt auf den 276 Seiten wirklich viel über Listers Privatleben und was ihn geprägt und voran getrieben hat. Der Schreibstil der Autorin lässt das alles unglaublich lebendig wirken und so etwas begegnet man selten bei Biografien. Aber auch über andere Ärzte und über deren Erkenntnisse erfährt man unglaublich viel. Mir fiel es wirklich schwer beim Hören Pausen einzulegen, weil es einfach so unglaublich spannend war und man wirklich viel über die Medizingeschichte lernen kann.
Ein anderer Pluspunkt ist das Bild der viktorianischen Zeit, welches die Autorin zeichnet. Dieses unglaublich dreckig und abstoßend und wenn man eins nicht möchte, dann ist es in die Nähe eines Friedhofes oder Krankenhaus(Todeshaus!) aus dieser Zeit zu kommen. Und damit steht das Bild im sehr starken Kontrast zu dem von einigen Autoren, welche eher ein romantisches Bild zeichnen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich auf alle Fälle schreiben, dass das Buch nichts fürs schwache Gemüter ist. Wie der englische Titel schon vermuten lässt geht es hier um "Metzger Kunst" bzw. Kunst des Schlachtens und wenn Operationen eines im 19. Jahrhundert waren, dann genau das.
Das Buch liegt auch schon seit einiger Zeit (im englischen Original) auf meinem Sachbuch-SuB - schön zu lesen, dass du es anscheinend sehr spannend und informativ gefunden hast. :)
AntwortenLöschenLustigerweise habe ich über die Bedingungen in der Medizin schon relativ viel gelesen, wenn auch in erster Linie in - soweit ich das sagen kann - gut recherchierten historischen Kriminalromanen, aber ein Sachbuch habe ich zu dem Thema noch nicht gelesen.